Hier finden Sie die wichtigsten Informationen zum Progressionsvorbehalt. Nutzen Sie unseren Progressionsvorbehalt Rechner, um die Erhöung Ihrer Steuer aufgrund von Entgeltersatzleistungen, wie z.B. Kurzarbeitergeld, Elterngeld oder Krankengeld zu berechnen.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema Progressionsvorbehalt
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Was ist der Progressionsvorbehalt?
Als Progressionsvorbehalt wird eine Regelung des deutschen Steuerrechts bezeichnet. Demnach werden bei der Berechnung der Einkomensteuer nicht nur die tatsächlich steuerpflichtigen Einkünfte mit dem persönlichen Steuersatz belegt, sondern auch die eigentlich steuerfreien Entgeltzahlungen berücksichtigt. Für viele Steuerpflichtige ergeben sich so überraschende Steuernachzahlungen am Ende des Jahres.
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Welchen Hintergrund hat der Progressionsvorbehalt?
Die Einkommensteuer zählt zu den wichtigsten Einnahmen des deutschen Staates. Steuerpflichtig sind sowohl Arbeitnehmer als auch Selbstständige und Freiberufler. Wie viel Steuern sie zahlen müssen, richtet sich nach den erzielten Einnahmen. Mit wachsendem Einkommen steigen auch die Steuersätze, das nennt man Progression. Gut verdienende Bürger zahlen so einen höheren Steuersatz als Bezieher geringer Einkommen.
Der Gesetzgeber legt in sogenannten Steuertabellen die Steuerbelastung für die Einkommensgruppen genau fest. Steuerpflichtige können neben ihrem Lohn oder Gehalt bzw. ihrem Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit auch andere Zahlungen erhalten, etwa Krankengeld oder Einnahmen aus dem Ausland. Diese unterliegen nicht der (deutschen) Einkommenssteuer. Um sie trotzdem zu berücksichtigen, gibt es einen Progressionsvorbehalt. Die gesetzliche Grundlage dafür findet sich im deutschen Einkommensteuergesetz (EStG), im Paragraph 32b. Hier heißt es, dass im Falle weiterer Einkünfte des Steuerpflichtigen das gesamte zu versteuernde Einkommen mit einem besonderen Steuersatz zu belegen ist (also nicht die Steuertabellen angewendet werden dürfen).
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Wer ist davon betroffen?
Angewendet wird der Progressionsvorbehalt bei allen Steuerpflichtigen, die zusätzlich steuerfreie Einnahmen erzielen. Die Regelungen gelten sowohl für angestellte Arbeitnehmer mit Einkünften aus unselbstständiger Arbeit als auch für selbstständig oder freiberuflich Tätige. Auch Rentner können betroffen sein, etwa wenn bei einem zusammen veranlagten Ehepaar ein Partner bereits Ruhestandsgelder bezieht, der andere jedoch neben Lohn oder Gehalt auch andere nicht steuerpflichtige Einnahmen erzielt.
Progressionsvorbehalt Rechner
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Was unterliegt dem Progressionsvorbehalt?
Grundsätzlich sind zwei große Arten von Zahlungen, die Steuerpflichtige empfangen können, vom Progressionsvorbehalt betroffen. Das sind zum einen die Lohnersatzzahlungen, die Arbeitnehmer erhalten, und zum anderen sind es Einkünfte aus dem Ausland. Der Paragraph 32b des EStG listet alle Sachverhalte, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, genau auf. Diese Aufzählung ist abschließend, was nicht genannt ist, ist auch nicht betroffen. Zu den wichtigsten und im Alltag am häufigsten auftretenden Zahlungen gehören:
1. Lohnersatzleistungen
- Zahlungen der Agentur für Arbeit, wie z.B. ALG I oder Kurzarbeitergeld
- Lohnfortzahlungen und Mutterschaftsgeld der Krankenkassen sowie Entschädigungen aus dem Infektionsschutzgesetz
- Zuschläge und Zulagen
- Altersübergangsgeld
- Elterngeld
2. Einkünfte aus dem Ausland
- wenn sie noch nicht in Deutschland versteuert worden sind
- oder wenn sie aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommen steuerfrei sind.
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Gilt der Progressionsvorbehalt auch für das Kurzarbeitergeld oder die Hartz-IV-Leistungen?
Ja, auch das Kurzarbeitergeld unterliegt als Leistung aus der Arbeitslosenversicherung dem Progressionsvorbehalt. Anders als bei der Auszahlung von Lohn und Gehalt durch den Arbeitgeber überweist das Arbeitsamt das Kurzarbeitergeld ohne Steuerabzug. Dieser wird dann erst auf Grundlage der Steuererklärung ermittelt. Bezieher von Hartz-IV-Leistungen dagegen müssen die erhaltenen Zahlungen nicht nachträglich versteuern. Nicht betroffen ist auch die Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung.
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Wie wird der Progressionsvorbehalt berechnet?
Die Höhe des Steuersatzes für das gesamte Einkommen wird schrittweise ermittelt:
- Zuerst errechnet der Steuerpflichtige das zu versteuernde Einkommen – dabei können vom Bruttolohn alle persönlichen Freibeträge wie z.B. Kinderfreibeträge, bestimmte Werbungskosten sowie Sonderausgaben abgesetzt werden. So wären etwa für ein Einkommen von 20.000 Euro ohne Progressionsvorbehalt im Jahr 2022 2.207 Euro Steuern fällig (laut Grundtabelle 2022).
- Zu diesem Einkommen addiert er dann die weiteren Geldeingänge – zum Beispiel Lohnersatzleistungen wie das Kurzarbeitergeld:
Zu versteuerndes Einkommen 20.000 Euro
+ Kurzarbeitergeld 13.000 Euro
= Steuersatz-Einkommen 33.000 Euro - Die darauf fällige Steuer lesen Steuerpflichtige dann wiederum in der Steuertabelle ab.
Fällige Steuer auf das Steuersatz-Einkommen (Grundtabelle 2022): 5.944 Euro
- Daraus lässt sich der besondere Steuersatz ermitteln, dem das gesamte Einkommen unter Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts unterliegt.
Dafür können Betroffene diese Formel nutzen:
Besonderer Steuersatz = Einkommensteuer auf das Steuersatz-Einkommen × 100 / Steuersatz-Einkommen
Besonderer Steuersatz = 5.944 Euro × 100 / 33.000 Euro = 18,0121 Prozent
- Der errechnete besondere Steuersatz ist dann Grundlage für die Berechnung der Einkommensteuer des zu versteuernden Einkommens :
Fällige Einkommensteuer = Zu versteuerndes Einkommen × Besonderer Steuersatz
Fällige Einkommensteuer = 20.000 Euro × 18,0121 Prozent = 3.602 Euro.
Bei der Berechnung der Steuerbelastung mit Progressionsvorbehalt erhalten Steuerpflichtige Hilfe von unserem Rechner. So wird immer die richtige Steuertabelle berücksichtigt, alle Rechenschritte sind automatisch ausgeführt.
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Muss ich eine Steuererklärung abgeben?
Wer neben den steuerpflichtigen auch noch steuerfreie Einkünfte über 410 Euro erhalten hat, muss eine Einkommensteuererklärung abgeben. Da Lohnersatzleistungen oder ausländische Einkünfte noch nicht versteuert wurden, müssen Steuerpflichtige hier mit Nachforderungen des Finanzamtes rechnen.
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Müssen Steuern gezahlt werden, wenn das Einkommen unter dem Grundfreibetrag liegt?
Der Grundfreibetrag im deutschen Steuersystem soll eine übermäßige Steuerbelastung kleiner Einkommen verhindern. Erhält aber ein Steuerzahler zusätzlich hohe Beträge über Lohnersatzleistungen, etwa bei einer Krankschreibung über viele Monate oder bei Kurzarbeit über einen langen Zeitraum, so soll er dafür auch besteuert werden. Es greift der Progressionsvorbehalt. Damit wird auch Einkommen, das eigentlich unter der Freibetragsgrenze liegt, mit dem besonderen Steuersatz versteuert.
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Wie wirkt sich der Progressionsvorbehalt auf die gemeinsame Besteuerung von Ehegatten aus?
Zusammen veranlagte Ehegatten lesen ihren Steuersatz nicht in der Grundtabelle, sondern in der sogenannten Splittingtabelle der Finanzbehörde ab. Die Ermittlung des besonderen Steuersatzes und der Steuern erfolgt nach den oben gezeigten Schritten. Achtung, der Betrag von 410 Euro, ab dem die Steuererklärung gefordert wird, verdoppelt sich auch bei Ehepartnern nicht!
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Wo wird der Progressionsvorbehalt in der Steuererklärung angegeben?
Der Steuerpflichtige muss seine Steuersätze nicht selbst ermitteln – auch dann nicht, wenn sein Einkommen dem Progressionsvorbehalt unterliegt. Das übernimmt das Finanzamt für ihn. In der Einkommensteuererklärung werden die Lohnersatzleistungen entweder in der Anlage N (zum Beispiel in die Zeile zum Kurzarbeitergeld) oder im Mantelbogen selbst eingetragen. Hilfe zum Ausfüllen finden Steuerpflichtige im Internet, bei einem Lohnsteuerhilfeverein oder natürlich bei einem Steuerberater.
Quellenangaben
Insbesondere die Informationen folgender Quellen haben wir für die Themenwelt "Progressionsvorbehalt" verwendet:
- Bundesfinanzministerium - Einkommensteuer
- Einkommensteuergesetz (EStG) (Juris und Bundesministerium der Justiz)
- Progressionsvorbehalt bei Wikipedia
Letzte Aktualisierung am 20.03.2022
Die Seiten der Themenwelt "Progressionsvorbehalt" wurden zuletzt am 20.03.2022 redaktionell überprüft durch Michael Mühl. Sie entsprechen alle dem aktuellen Stand.
Vorherige Änderungen am 02.11.2021
- 02.11.2021: Anpassen des Progressionsvorbehalt-Rechners und der Beispiele an den Einkommensteuertarif für 2022
- 16.06.2020: Veröffentlichung des Progressionsvorbehalt-Rechners
- Erstellen der Texte für die dazugehörgen Seiten
- Redaktionelle Überarbeitung aller Texte in dieser Themenwelt